Embodiment im Büroalltag: Wie Körperhaltung unsere mentale Stärke beeinflusst

Es beginnt mit einem kleinen Impuls – kaum spürbar. Die Schultern sinken langsam nach vorne, der Rücken krümmt sich, der Blick bleibt am Bildschirm kleben. Was nach einem ganz normalen Tag im Büro klingt, ist oft der erste Schritt in einen Zustand innerer Unverbundenheit. Unser Körper, so sagen Embodiment-Forscher:innen, vergisst nicht. Und wenn er vergisst, sich aufzurichten, vergessen wir oft auch, wer wir sind.

Embodiment – das ist keine esoterische Idee, sondern eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis: Unser Denken und Fühlen ist kein rein geistiger Akt. Es ist verkörpert. Unsere Körperhaltung beeinflusst unser Selbstbild, unsere Stimmung, unser Entscheidungsverhalten. Und umgekehrt: Was wir denken, spiegelt sich im Körper. Wenn wir mutlos sind, machen wir uns klein. Wenn wir uns aufrichten, fühlen wir uns oft automatisch klarer, kraftvoller, entschlossener.

Das hat auch die berühmte Harvard-Psychologin Amy Cuddy gezeigt. In ihrer Studie zu „Power Posing“ wies sie nach, dass eine aufrechte, expansive Körperhaltung bereits nach zwei Minuten unser Stresslevel senkt und das Selbstvertrauen steigert. Auch wenn die Diskussion um diese Studie später differenziert wurde – der Kerngedanke bleibt: Haltung macht etwas mit uns. Und mit der Wirkung, die wir auf andere haben.

Im Büro, wo viele von uns den Großteil des Tages verbringen, kann das eine stille, aber tiefgreifende Revolution sein. Denn was passiert, wenn wir beginnen, unseren Körper nicht mehr nur als Träger unseres Kopfes zu betrachten, sondern als aktiven Partner im Arbeitsalltag? Wenn wir spüren, wie sehr sich Fokus, Präsenz und innere Stabilität verändern, sobald wir die Haltung bewusst verändern – nicht nur gedanklich, sondern auch muskulär?

Körperliche Selbstführung – darum geht es. Um die Fähigkeit, im Moment zu sein. Nicht im Autopilot. Nicht im Zoom-Tunnelblick. Sondern wirklich da. Mit Atem, mit Präsenz, mit einer inneren wie äußeren Aufrichtung, die nicht nur „gut aussieht“, sondern tief im System ankommt. Menschen, die regelmäßig mit bewusster Bewegung, Atemarbeit oder Embodiment-Übungen arbeiten, berichten nicht nur von mehr Klarheit. Sondern auch davon, dass sich Entscheidungsprozesse beschleunigen, dass sie in Meetings präsenter auftreten – und dass sie weniger erschöpft aus dem Tag gehen.

Es ist kein Zufall, dass moderne Leadership-Trainings zunehmend körperbasierte Methoden integrieren. Wer führen will, braucht mehr als kognitive Stärke. Er oder sie braucht Verkörperung – eine Art, Haltung physisch spürbar zu machen. In Coachings mit körperlicher Komponente, etwa durch Kampfsport-Elemente, erfährt man buchstäblich am eigenen Leib, wie sich Reaktionsmuster verändern lassen. Nicht durch Analyse, sondern durch Erleben. Der Körper lügt nicht. Und er verlernt auch nicht so schnell.

Auch im Teamkontext kann Embodiment neue Türen öffnen. Teams, die lernen, sich über Bewegung zu synchronisieren, Vertrauen über physische Koordination aufzubauen oder gemeinsam über Körpersprache zu reflektieren, berichten von nachhaltigen Veränderungen. Nicht, weil es „mehr Teambuilding“ ist. Sondern weil es echtes Spüren zulässt – das, was in Videocalls oft verloren geht.

Vielleicht ist es an der Zeit, Arbeit neu zu denken. Nicht als Kopfleistung allein. Sondern als etwas Ganzheitliches. Als etwas, das entsteht, wenn Verstand, Gefühl und Körper im selben Raum arbeiten – statt nebeneinanderher. Vielleicht beginnt mentale Stärke nicht mit einem Mindset-Post auf LinkedIn. Sondern mit dem Moment, in dem du deine Füße bewusst auf den Boden stellst, deine Wirbelsäule aufrichtest und innerlich sagst: Ich bin da.Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Quellen:
– Amy Cuddy: Power Posing, Harvard Business School (2010)
– Damasio, Antonio R.: „Descartes’ Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn“
– Gendlin, Eugene T.: Embodiment in der Psychotherapie
– Hauswald, Andreas (2021): Bewegung, Haltung & Präsenz in der neuen Arbeitswelt, Haufe Akademie
– Claudia Winkel: Embodiment im Coaching (2022)


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